Im Internet stößt man öfters auf sogenannte „Wildbienen-Kokons“ oder “Zuchtpakete mit Kokons”. Es wird oft der Eindruck vermittelt damit etwas „Gutes“ für Natur und Bestäuber zu tun. Oft werden Kokons in Form von Gutscheinen zum Kauf angeboten. Dabei fordert man die Wildbienen-Kokons im Herbst per Post an, damit sie im Frühjahr bei den Käufern schlüpfen sollen. Viele Nachrichten erreichen die Bienenretter mit der Frage, was davon zu halten ist.
Mit Sprüchen wie „Werde zum Wildbienenzüchter“ werben Internet-Anbieter für die kleinen „Schlupfboxen“ mit Wildbienenlarven: 10 Kokons der Roten Mauerbiene werden beispielsweise ab 10 Euro feilgeboten. „Manche Nisthilfen-Hersteller bieten diesen ‚Service‘ direkt beim Kauf eines Wildbienenhotels mit an“, sagt Christian Bourgeois, Initiator der Bienenretter. In den Medien präsentieren sich gerne auch Unternehmen mit einem “grünen Herz” mit derartigen Wildbienenzuchten. “Wir haben uns einige Angebote genauer angeschaut. Es klingt ja auch erstmal einfach und sehr verlockend“, so Bourgeois. Ein Klick, und die Wildbienen kommen zu einem nach Hause.
Woher stammen die Wildbienen-Kokons?
Ursprünglich wurde das System “Wildbienen-Kokons per Paket” für landwirtschaftliche Betriebe entwickelt. „Viele Obstbauern haben über den Winter solche Mauerbienen-Kokons im Kühlschrank liegen, die sie kurz vor der Obstblüte herausholen“, erläutert Stefan Brenzinger. Der gelernte Tischler und Bauingenieur setzt sich im Rahmen der AKTIONGRUEN in Köln für Wildbienen und Insekten ein. Durch den Einsatz von gezüchteten Wildbienen können Landwirt*innen Bestäubungsverluste durch klimatische Schwankungen ausgleichen und den optimalen Bestäubungszeitpunkt zwischen Bienenschlupf und Blüte besser managen. „Im Februar dieses Jahres war es so warm, dass die meisten Mauerbienen schon geschlüpft waren, obwohl bei vielen Bäumen noch gar keine Obstblüte in Sicht war“, erzählt Brenzinger. Die Mauerbienen mussten dann andere Blüten finden. „Obstbäume wurden so nur zum Teil bestäubt“, ergänzt Brenzinger.
Im April folgte dann endlich die saisonale Obstblüte, doch da war die Zeit der im Februar geschlüpften Mauerbienen schon fast vorbei. „Hätten sich die Landwirt*innen alleine auf die natürliche Bestäubung verlassen, wäre ein Großteil der Obstblüten nicht bestäubt worden“, erklärt Brenzinger. In der Landwirtschaft werde dieses Bestäubungsmanagement oft von Biolog*innen begleitet. Für Blütenart, Betrieb und Naturraum werden die passenden Wildbienenarten ausgewählt und dies sei daher weniger problematisch. „Das Problem sind eher die neuen Internetbesteller, die sich Wildbienen quer durch Deutschland und Europa zuschicken lassen“, betont Brenzinger.
Warum sollte man keine Wildbienen-Kokons kaufen?
Eine bestimmte Wildbienenart kommt nicht in allen Regionen gleichermaßen in Deutschland vor, zudem unterscheiden sich die lokal angepassten Arten genetisch. Wird eine Wildbienenart per Post an einen anderen Ort verschleppt, verbreitet sich diese unter Umständen in Regionen, wo sie nicht heimisch ist. „Wird eine in Bayern beheimatete Wildbiene plötzlich an die Nordsee verschifft, wacht sie in einer völlig fremden Welt auf“, so Brenzinger. Eine professionelle Analyse der örtlichen Umweltbedingungen finde vor dem Kauf kaum statt. Welche Pflanzen geben ihr dort Nektar und Pollen? Und wo soll sie nisten? „Insbesondere bei Pollenspezialisten wird das problematisch, wenn sie auf eine bestimmte Pflanze angewiesen sind“, betont Brenzinger. Zudem seien sicher wenige Kokon-Kunden bereit, sich nach dem Kauf noch um die Verpflegung der Bienchen zu kümmern. „Man will das Wildtier ja auch wild sein lassen“, so Brenzinger. Wildbienen sind eben keine Haustiere.
„Wenn jetzt immer mehr Personen aus vermeintlicher Naturliebe dem Trend folgen, kann ein intaktes biologische Gleichgewicht irgendwann durcheinanderkommen“, warnt Brenzinger. Auch Parasiten und Milben würden so leichter verschleppt. „Immerhin handelt es sich ja um ‚Wild‘-Bienen, also wilde Tiere, mit denen eigentlich nicht gehandelt werden sollte“, betont der Bienenfreund.
Käufer*innen sind ahnungslos, dass sie eine Genehmigung benötigen
In Deutschland zählen alle heimischen Bienenarten gemäß der „Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten“ laut Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) zu den „besonders geschützten Arten“. Manche Vertreiber von Wildbienen-Kokons schreiben auf ihre Website, dass eine Ausnahmegenehmigung für die Zucht von Mauerbienen vorliege. “Überprüfen kann man dies als Käufer*in kaum. Auf keiner der von uns angeschauten Internetseiten wurden Käufer*innen angemessen über ihre Pflichten und die nötige Genehmigung der Naturschutzbehörde aufgeklärt“, so Christian Bourgeois. Denn das Ausbringen und die Ansiedelung von Tieren in der Freien Natur bedarf laut §40 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) einer Genehmigung der zuständigen Naturschutzbehörde. Solche Genehmigungen werden aber nur in begründeten Ausnahmefällen erteilt. Die meisten Käufer*innen sind völlig ahnungslos, wenn die Kokons bei ihnen eintreffen, dass sie defacto die Wildbienen nicht ausbringen dürfen.
Eine gesetzliche Grundlage bezüglich des Handels von Wildbienen gibt es bisher nicht. „Und leider auch keine Wildbienen-Polizei“, sagt Brenzinger mit bitterem Lachen. Der Handel mit Wildtieren sei hingegen jedoch größtenteils verboten. „Da darf man nicht zwischen einem Nil-Krokodil oder einer Mauerbiene unterscheiden“, findet Brenzinger. Seiner Meinung nach müsste man diesem Trend Einhalt gebieten. „Den Vertreibern geht es offenbar einzig und allein um Geldmacherei“, ärgert er sich. Gerade bei unwissenden Kunden, die sich eine Nisthilfe kaufen wollen, kommen die Kokons gut an. „Die Idee ist ja auch schön, dass man gleich ein paar Wildbienen dazu kriegt“, so Brenzinger. “In Amerika waren Zuchthummeln bereits vor ein paar Jahren im Trend, mit der Folge eines verheerenden Hummelsterbens heimischer Hummelarten. Das sollte uns hier in Europa eine Warnung sein“, erklärt Bourgeois.
Wildbienenzuchtpakete fördern fast immer die falschen Wildbienen
„Viele wollen etwas Gutes tun und wissen es nicht besser, weil ihnen die Fachkenntnisse fehlen“, betont der Bienenretter-Initiator. So auch bei Wildbienen-Kokons: Dort werden meist Arten wie die Rote Mauerbiene verschickt, die nicht auf unsere Hilfe angewiesen sind. „Natürlich wollen wir nicht, dass sie erst vorm Aussterben bedroht sind, bis wir sie unterstützen. Aber Bienenhilfe geht am besten ohne Kokons“, so Brenzinger. Stattdessen lieber geeignete Nisthilfen aus Hartholz selbst bauen oder besser natürliche Nist- und Lebensräume wieder herstellen. Grundsätzlich macht die Nisthilfe jedoch vor allem dort Sinn, wo eine Nahrungsgrundlage vorhanden ist. "Also erst die Wildblumen, dann die Nisthilfen schaffen", empfiehlt Brenzinger. Mit der Zeit werden sich aufgrund des Nahrungsangebotes auch verschiedene Wildbienenarten niederlassen. „Egal wo man die Nisthilfe aufhängt, ob am Feld oder in der Stadt, werden Wildbienen auf natürliche Weise da einfinden“, betont Brenzinger. Vielleicht nicht gleich im ersten Jahr, aber mit etwas Geduld ziehen sie ja im zweiten Jahr ein.
Artikel: Elisa Kautzky