Im Frühjahr strecken die zarten Krokusse ihre Köpfchen aus der Erde und locken allerlei Insekten an. Gepflanzt werden die Frühlingskrokusse aber im Herbst - zum Beispiel im Rahmen unserer Pflanzaktionen mit Kitas und Grundschulen. Auf Internetseiten und in den Sozialen Medien werden Krokusse machmal als hochgiftig dargestellt, was Pädagogische Fachkräfte und Eltern verunsichert. Sind Krokusse giftig? Wir haben nachgefragt.
Alle Jahre wieder laden wir Kitas und Grundschulen im Rahmen unserer Herbstpflanzaktion ein, im Hof oder Garten ihrer Einrichtung ein paar Krokusse zu pflanzen. Damit können die Gruppen einen großen Beitrag für den Artenschutz leisten. Immerhin dienen Frühblüher im zeitigen Frühjahr vielen Insekten als erste wichtige Nahrungsquelle, insbesondere für völkerbildende Arten wie Honigbienen oder Hummeln.
Einige Krokusse haben jedoch den Ruf, giftig zu sein. Dürfen Kinder die Krokusknollen anfassen oder besteht hierbei eine Gefahr? „Viele Kitas und Schulen sind offensichtlich verunsichert, da im Netz unterschiedliche Aussagen herumgeistern oder wissenschaftliche Erkenntnisse falsch interpretiert werden, nicht selten auch veraltet sind. Bei unserer Recherche fanden wir häufig reißerische Überschriften über Giftigkeit von Pflanzen, die Leser verunsichern, liest man den Artikeltext jedoch weiter, ist nichts mehr davon übrig geblieben.
Aber auch seriös daherkommende und gutgemeinte Seiten beziehen sich teils auf veraltete Quellen oder da werden Pflanzennamen auch schon mal verwechselt. Es ist also kein Wunder, dass Kitas, Schulen und Eltern überfordert sind“, sagt Christian Bourgeois, Initiator der Bienenretter-Initiative.
So haben wir nachgefragt bei Wissenschaftler:innen, Giftnotrufzentralen und beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das BfR ist die wissenschaftliche Einrichtung der Bundesregierung, die auf der Grundlage international anerkannter Kriterien Gutachten und Stellungnahmen zu Fragen der Lebensmittelsicherheit und des gesundheitlichen Verbraucherschutzes erarbeitet.
Welche Krokusarten sind (wirklich) giftig?
Barbara Ditsch ist wissenschaftliche Leiterin des Botanischen Gartens an der TU Dresden. Sie findet es wichtig, dass sich mehr Leute mit Frühblühern beschäftigen, da sie eine „bedeutende Nahrungsquelle für heimische Insekten und ein inspirierendes Objekt für Naturbeobachtungen“ sind. Laut der Expertin umfasst die Gattung crocus rund 85 Wildarten sowie viele „gärtnerische Sorten, die nicht alle komplett auf ihre Inhaltsstoffe hin untersucht sind“. Am meisten wissen Wissenschaftler:innen über den Safran-Krokus (crocus sativus), dessen Blüten das bekannte Safran-Gewürz liefern.
In der Zeitschrift „Phytochemistry" (Volume 162, Juni 2019, Seite 56-89) ist 2019 ein umfassender Artikel über die Crocus-Spezies erschienen. „Darin werden zahlreiche Studien zu heilwirksamen Aspekten von Crocus-Inhaltsstoffen aufgeführt“, erklärt Ditsch. Zum Beispiel sollen manche Inhaltsstoffe im Krokus sogar antibakteriell sein. „Es gibt in den Studien keinen Hinweis auf Giftwirkungen, die dem Menschen ernsthaft schaden“, sagt sie.
Stattdessen beziehen sich Giftwarnungen in dieser wissenschaftlichen Publikation und auch im Internet überwiegend auf die hochgiftige Herbstzeitlose, auch Wiesensafran oder Herbst-Zeitlosegenannt, der Pflanzengattung Colchicum autumnale. Diese Zwiebelblume ist kein Krokus! Sie kann jedoch mit Herbstkrokussen wie dem Safran-Krokus verwechselt werden, da ihre Blütenformen sich ähneln. Der Kontakt mit einem beliebigen Teil der Herbstzeitlosen kann hier bereits zu einer Hautreizung führen und bei Verzehr im schlimmsten Fall tödliche Vergiftungen verursachen.
Der im Herbst blühende Safran-Krokus, auch Echter Safran oder lateinisch Crocus sativus genannt, sei laut dieser Publikation „praktisch ungiftig“. Laut Giftzentrale Bonn können bei einer Einnahme größerer Mengen des Safran-Krokuses jedoch „schwere Vergiftungserscheinungen auftreten.“ Dennoch ist der echte Safran in unseren Breiten äußerst selten, die Wahrscheinlich also relativ gering. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) teilt uns auf Anfrage zudem mit, dass es keine gesundheitliche Gefährdung beim Verschlucken des Safran-Krokus gibt, „insbesondere in geringen Mengen, wie sie üblicherweise in Heilmitteln oder Speisen mit Safran vorkommen“. Provozieren muss man eine Gefahr aber trotzdem nicht.
„Wer mit Kindern arbeitet, sollte am besten auf das Pflanzen der Herbstzeitlosen sowie des Safran-Krokus verzichten. Die Krokus-Mischungen aus dem Handel, die für Pflanzungen im Herbst erhältlich sind, enthalten in der Regel weder Herbstzeitlose noch Safran-Krokus“, sagt Bourgeois.
Ist der Frühlingskrokus Crocus vernus giftig?
Er gilt zwar als leicht giftig, wird dennoch als harmloser eingestuft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sagt: „Der Kontakt von Kindern mit dem Frühlingskrokus – also Anfassen oder Verschlucken kleiner Mengen - verläuft in der Regel ohne Symptome. In seltenen Fällen wurden Haut- oder Schleimhautreizungen, Erbrechen oder Durchfall berichtet“, hauptsächlich beim Verzehr der Knollen. „Entwarnung also für besorgte Eltern.“, sagt Bourgeois. Zudem ist kein problematisches Picrocrocin laut BfR nachweisbar. Der Stoff Picrocrocin ist vermutlich für die toxischen Eigenschaften des Echten Safrans (Crocus sativus) verantwortlich und konnte im Frühlingskrokus nicht nachgewiesen werden.
Kinder können den Frühlingskrokus also ohne Bedenken anfassen. „Generell sollten die Hände nach der Gartenarbeit aus Gründen der persönlichen Hygiene gewaschen werden“, betont das BfR. Besteht der Verdacht, dass ein Kind eine geringe Menge Frühlingskrokus verschluckt hat, empfiehlt das BfR, ein Glas Wasser oder Tee zu trinken. Bei auftretenden Symptomen sollte stets telefonisch ein nahegelegenes Giftinformationszentrum kontaktiert werden – insbesondere bei einem Verdacht der Aufnahme einer Herbstzeitlosen!
Fazit: Auch Frühlingskrokusse können von Kindern gepflanzt werden
Zusammenfassend empfehlen wir das Pflanzen von üblichen Krokussen-Mischungen mit Kindern, auch wenn Crocus vernus enthalten ist. Diese können Kinder laut Bundesinstitut für Risikobewertung anfassen, sollten danach aber ihre Hände auch zur Hygiene gründlich waschen. Grundsätzlich ist die schädigende (giftige) Wirkung einer Substanz, eines Produktes oder einer Pflanze immer auch in Abhängigkeit zu der aufgenommenen Menge zu sehen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind zehn Krokusknollen isst, ist aber eher gering, denn die Knollen schmecken äußerst bitter, so bitter, dass man sie im natürlichen Reflex ausspuckt. Herbstzeitlose und Safran-Krokus sind hingegen eher ein No-Go für Pflanzungen mit Kindern. Bei aller Besorgnis: Säen und Pflanzen sind elementare und prägende Erfahrungen für Kinder, die man nicht ersetzen kann. „Grundsätzlich ist es besser, die Kinder frühzeitig über den sachgemäßen Umgang mit leicht giftigen Pflanzen aufzuklären, als der Natur aus dem Weg zu gehen“, betont Bourgeois.
Was tun mit verunsicherten Eltern oder Entscheidungsträgern?
Die Eltern beruhigen und auf die Einschätzungen des BfR Bundesamtes verweisen. Bei anhaltender Verunsicherung können Sicherheitsmaßnahmen vorgeschlagen werden: Wer ganz sicher sein will, kann den Kindern Handschuhe geben sowie auf das gründliche Waschen der Hände danach achten. Neben der anleitenden Person bei der Pflanzung zusätzlich beaufsichtigende Personen einbinden. Gerne können die Kita- und Schulgruppen sich zusätzlich mit einer Expertin oder einem Experten auf die Pflanzaktion vorbereiten.
Übrigens: Was blüht denn da? Die Pflanzen auf bestehenden Grünflächen können zum Beispiel mit Fachliteratur oder einer Pflanzen-Erkennungsapp bestimmt werden und so problematische Pflanzen gefunden werden.
Welche Pflanzen dürfen nicht auf Spielplätze, Pausenhöfe & Co.?
Hier findet ihr Pflanzen, die als besonders giftig gelten. „Diese sollten NICHT auf Flächen angepflanzt werden, auf denen sich Kinder zum Spielen aufhalten“, betont das BfR:
Liste besonders giftiger Gartenpflanzen und einheimischer Pflanzen in der freien Natur: https://www.bundesanzeiger.de/pub/publication/cb9rFDxrsetJdU4RBZu/cont ent/cb9rFDxrsetJdU4RBZu/BAnz%20AT%2002.07.2021%20B4.pdf?inline
Wo finde ich bienenfreundliche, ungefährliche Krokusse?
Wer sich bei der Beschaffung des Pflanzguts von Fotos auf der Verkaufsware leiten lässt, sollte also darauf achten, dass sich wirklich „Crocus" und nicht etwa doch „Colchicum", also die Herbstzeitlose, im Beutel befinden. “Das kann dann bei einem Verzehr böse Folgen haben”, betont Ditsch. Hier findet ihr einen garantiert bienenfreundlichen Mix aus Frühblühern (inklusive harmlosem Frühlingskrokus) im Shop der Bienenretter Manufaktur.
Quellen
- Teuscher, Lindequist: Biogene Gifte, 3. Auflage
- Frohne, Pfänder: Giftpflanzen; 5. Auflage
- Anhang der Publikation "Akzidentelle Vergiftungen mit Gartenpflanzen und Pflanzen in der freien Natur" (Hermanns-Clausen, M., Koch, I., Pietsch, J. et al.; Bundesgesundheitsblatt 62, 7383 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-018-2853-5 ) [In der Publikation "Akzidentelle Vergiftungen mit Gartenpflanzen und Pflanzen in der freien Natur" wurden Anfragen zu 3 / 3 Pflanzenexpositionen aus zwei Giftinformationszentren ausgewertet. Im Anhang der Publikation findet sich eine Übersicht aller in dieser Studie erfassten Expositionen, deren Schweregrade je Pflanzenart/-gattung, plus eine Darstellung der berichteten Symptome.]
- Biologically active compounds and pharmacological activities of species of the genus Crocus: A review. (https://doi.org/10.1016/j.phytochem.2019.02.004)
- Giftzentrale Bonn
- Bundesinstitut für Risikobewertung